Seit vierzig Jahren ist Max Riedl Vorstand und Betreuer der ersten Mannschaft des Schachclubs Furth im Wald. Neunzehn Jahre alt ist der vereinsbeste Spieler, Max Glaser, der seit zwei Jahren in der ersten Mannschaft vorne mitspielt. Kern des Gesprächs: Wie hält man ein Team voller Einzelspieler so lange erfolgreich zusammen?
Max Glaser: Die Mannschaft wird, wenn wieder richtig Schach gespielt werden darf, wie vor vierzig Jahren in der höchsten Spielklasse der Oberpfalz sein. Sie hat 13 Jahre eine Klasse höher in der Regionalliga Nordost (Mittelfranken und Oberpfalz) gespielt, sechs Jahre Bezirksliga und 21 Jahre Oberpfalzliga. Wie hält man als Mannschaft dieses Niveau?
Max Riedl: Die Spielstärke des Furth/ Waldmünchner Schachclubs ist das Ergebnis dreier Jugendwellen und der Einbeziehung von freien, guten Einzelspielern. Von 1980 bis 1998 ging es stetig vorwärts, seit 1998 bis dato pendelt der Verein zwischen Oberpfalzliga und Bezirksliga Nord. Das wird auch die nächsten Jahre so bleiben. Und dann darf man den Spruch von Großmeister Tartakower nicht vergessen: „Zum Schachspielen braucht es Glück, Glück, Glück!“
Glaser: Was ist der größte Unterschied zwischen Schach heute und der Situation 1981?
Riedl: Ganz klar das Spieltempo. Was immer gleichgeblieben ist, ist der Einbau von nachrückenden Jugendlichen und am Spitzenbrett ein spielstarker Anführer. Das war damals Helmut Janka. Janka war von Regensburg nach Kötzting gezogen, wo 1978 der Schachclub wieder gegründet wurde. Bis 1981 wollte er bei den Furthern spielen. Dort hatte man eine gute Jugend (Oberpfalzvizemeister 1981), die den Kern der ersten Mannschaft bildete. Stefan Rädlinger (IT-Fachmann) und der Neukirchner Franz Staffler (Apotheker in Passau) zählen heute noch zum Stamm. Norbert Tauer war 22 Jahre 2. Vereins-Vorstand, Franz Mühlbauer (Informatiker) zog nach München, Thomas Vogl ist seit Jahren Chemie-Professor in Münster, Karl-Heinz Dietl (wie Rädlinger Teilnehmer der Bay. Jugendmeisterschaft 1983 in Furth im Wald) arbeitet als Architekt in Regensburg, Robert Koch lebt seit Jahren in Weiden. Das ist immer das Schicksal der Jugendausbildung, besonders in der Provinz, dass auch für andere mitausgebildet wird. Als Janka wie angekündigt nach Kötzting ging, gewannen wir per Zufall in Rambert Bellmann einen Berliner Künstler mit Wohnsitz in Stadlern. Ich konnte ihn bei der Oberpfalzmeisterschaft besiegen und bot ihm das Spitzenbrett in Furth im Wald an. Mit ihm stiegen wir in die Regionalliga Nordost (Oberpfalz-Mittelfranken) auf. Bellmann verließ uns 1986 mit seiner aus der Schweiz stammenden Frau nach Luzern. Jahre später erfuhren wir, dass er dort neben der Karriere als Kunstprofessor auch Schachmeister der Innerschweiz geworden war. Aus Warzenried stieß der Abiturient Alfons Schamberger zu uns, der als Kötztinger Gymnasiast außerhalb unseres Blickwinkels war. Der Waldmünchner Lehrer Günther Baumgartner erklärte uns, dass diese Regionalliga zu hoch für ihn sei, weshalb er nicht mehr in der Ersten spiele.
Glaser: Sehr motivierend ist das nicht, praktisch nur Kanonenfutter zu sein. Wie übersteht man die erste Saison?
Riedl: Als Aufsteiger in die Regionalliga ohne Spitzenbrett wären wir zu schwach gewesen. Durch Losglück wurde ich beim Chamer Open gegen Andreas Hilge gepaart, der neu in unserer Gegend war und Zweitbundesligaerfahrung mitbrachte. In einer Kampfpartie gewann ich gegen den im Normalfall viel besseren Hessen und bot ihm Brett 1 an. Hilge war sicher der größte Gewinn für die erste Mannschaft. Beim Stichkampf gegen den Abstieg war er eine Macht und 1987 im Viererpokal hielt er die Stellung gegen FIDE-Meister Heydrich (TB Erlangen), was zum Weiterkommen reichte. Ohne Hilge hätten wir in der Regionalliga 13 ununterbrochene Jahre am Stück nicht überstanden.
Glaser: Ein erneuter Glücksfall für den Schachclub war dann ja die Grenzöffnung.
Riedl: Die Grenzöffnung brachte mit dem Hautarzt und FIDE-Meister Dr. Stanislva Kuba (Kdyne) den damals besten Spieler zischen Pilsen und Regensburg in unsere Reihen. Dass er noch dazu gut Deutsch sprach, machte die Sache einfacher. Inzwischen hatte um 2000 mit Ferdinand Mauerer (Schicherhof) und Helmut Rohrmüller (Waldmünchen) ein Jugendduo aufhorchen lassen. Mauerer wurde U18-Sieger der Oberpfalz. Rohrmüller gewann in der Meisterklasse III alle 8 Partien, was weder vorher noch nachher ein Spieler schaffte. Die beiden wurden für die Erste requiriert. Hinzu kam mit Ralf Krämer ein weiterer Spieler, der die hinteren Bretter besetzten konnte. Das Training mit den jungen Leuten kommt vor allem dem Lehrer zu Gute. So stieg ich 1998 unvermutet in die Bayerische Meisterklasse 1 mit damals 2233 Elo-Punkten auf.
Glaser: 1998 musste man sich doch aber von dem Spielen auf Bayernebene verabschieden.
Riedl: Die körperlichen Strapazen alleine schon waren zu groß. Von den Jugendlichen der ersten Welle blieben nur noch Stefan Rädlinger und Franz Staffler übrig. Außerdem war das Spielniveau gestiegen. Jede Mannschaft hatte jetzt die durch die Ausländerregel erlaubten zwei Tschechen. Tatsächlich waren wir besser als zehn Jahre zuvor, ohne dass sich die Punkte dafür eingestellt hätten. Die Oberpfalzliga war jetzt die angestammt Spielklasse – es wollte und will auch keiner mehr aufsteigen. Und wenn wir in die Bezirksliga abgestiegen sind, waren wir mit Ansage in der nächsten Saison wieder oben. Eine Fahrstuhlmannschaft eben.
Glaser: Dann kam die bislang letzte Jugendwelle.
Riedl: Die letzte Jugendphase begann damit, dass ich als Pensionist Zeit fand, an einem Chamer Gymnasium u.a. Adam Breuer zu unterrichten, einen wilden Kombinierer und Angriffsspieler. Am zweiten Chamer Gymnasium spielt mit Max Glaser das genaue Gegenteil. Glaser, ein Positionsspieler und Capablanca-Fan, war hinsichtlich Stellungsgefühl uns allen überlegen und ist mit 18 Jahren der Vereinsbeste. Er war U16-Meister der Oberpfalz und spielte von da an nur mehr Erwachsenenturniere, auf die ich ihn mitnahm. Breuer gewann 2019 und 2020 den U18-Vizetitel der Oberpfalz. Nur ein paar Jahre älter als die beiden ist der Neukirchner Helmut Weber, der seine Jugendtitel alle erwarb, bevor er nach Bad Kötzting umzog. Tobias Hirsch ist ein Extrafall, so wie es Christoph Schreiner war: Sie haben einen anderen Zugang zu einer Schachpartie als die meisten Turnierspieler. In der Beurteilung einer Stellung sind sie vielen anderen damit voraus. Das prädestiniert sie besonders für das Problemschach. Was soll man dem raten, der heute 14 ist und Turnierschach lernen möchte. Nicht aufgeben! Großmeister Tartakower, ein Sprücheklopfer, hat das so formuliert: „Vom Aufgeben hat man noch nie eine Partie gewonnen!“ Ein Gewisser Max Glaser war mit 14 eine schachliche Pflaume. Drei Jahre später schlägt er mich und alle anderen im Verein. So soll es auch sein. Der Schüler ehrt den Lehrer im Schach am besten, indem er ihn besiegt.