Furth im Wald. Für eine kleine Feier zu großem Anlass haben sich am Freitag rund zwanzig Schachfreunde im Gasthaus Stangerl eingefunden. Von Ehrenvorstand Max Riedl, der 40 Jahre dem Further Schachverein vorstand, hörten sie viele Details der 100jährigen Geschichte des organsierten Schachspiels in Furth im Wald, unter anderem, dass der Club vier Tage vor dem Schachverband der Oberpfalz (SVO) und sogar zwei Jahre vor dem Weltschachbund FIDE gegründet wurde.
Man hinkte in der Drachenstadt also durchaus nicht hinten nach, sondern hatte den Geist der Zeit erfasst. Nur der SC Regensburg (1881), der SK Weiden (1907) und die SF Amberg (1912) wurden von den Oberpfalzvereinen klar früher gegründet. Dabei müsste man bei den 100 Jahren eigentlich noch 12 Jahre hinzurechnen. Diese brachte der Verein schon vorher als lose Vereinigung im Hotel Hohenbogen zu. Martin Vogl, der erste Chronist des Schachs in der Grenzstadt schrieb im Spätherbst 1954 über die „Vorgeschichte des Schach-Club Furth i. Wald“: „Interessant ist, dass bereits vor dem 1. Weltkrieg ein Schach-Club bestanden hat und besonders in den Jahren 1910 – 1914 und nach dem Krieg 1920-1930 in beachtlicher Blüte stand. Ihren Schachabend hatten sie viele Jahre im Nebenzimmer des Hotels „Hohenbogen“.
Aus der Zeit vor hundert Jahren gibt es keine Fotos. Man darf froh sein, dass 1922 wenigstens ein Inserat in der damaligen Heimatzeitung „Der Bayerische Wald“ erhalten blieb. In der ersten Schachrubrik zeichnet für die Schachvereinigung Furth i. Wald Bankvorstand Kranz verantwortlich:
„Anlässlich der bevorstehenden Gründung des oberpfälzischen Schachverbandes tritt an die hiesige Schachvereinigung die Notwendigkeit heran, sich aus den bisherigen losen Gefüge in einem regelrechten Schachclub umzuwandeln. Sämtliche Freunde des edlen Schachspiels, das trotz der Ungunst der Zeit kräftig nach der Höhe drängt, wovon die zahlreichen, internationalen Wettspiele Zeugnis ablegen, werden hiermit höflichst eingeladen, sich zwecks einer diesbezüglichen Besprechung am Dienstag, den 21. bis um 8 Uhr abends, in der Bahnhofrestauration einzufinden.- Auch Anfänger sind willkommen. – Durch eine möglichst hohe Mitgliederzahl des zu gründenden Schachclubs gilt es zu erweisen, dass Furth i. W. auch hinsichtlich dieses geistigen Sports anderen Städten nicht nachstehen will.“
Der Aufruf zur Vereinsgründung kam von Bezirksrat Kranz, einem im Raume Schwandorf beheimateten Schachspieler und Bankier, der ein paar Jahre später als Further Schachvorstand aufgeführt wird. Dem Aufruf wurde Folge geleistet. Die Schachspieler gingen über die Bahnhofstraße ins Bahnhofsrestaurant – und kehrten nach erfolgter Gründung in typisch „Furtherischer“ Manier in den nächsten Wochen wieder ins „Hotel“ zurück. Dort waren die „oberen Zehntausend“ unter sich und – der noch ständisch geprägten Gesellschaft gemäß – von den Arbeitern abgesondert, die in Deutschland in sog. Arbeitervereinen ihre eigenen Zusammenschlüsse hatten. 1922 herrschte in Deutschland und Österreich heftige Inflation: Auf dem Oktoberfest kostete eine Maß Bier 500 Mark. Auch die damalige Informationsschrift „Rahneforth Schach-Kalender“ erschien erst wieder 1925 und brachte die Neuigkeiten der Vereins- und Verbandsgründungen verspätet. Der Schachkongress fand jährlich an drei Tagen statt – 1926 in Cham, das wie Waldmünchen zu den 12 Gründungsvereinen mit insgesamt 400 Mitgliedern zählte. Der beste Further Spieler bei diesen Schachkongressen der Apotheker Geiger, der Mitte der Zwanziger-Jahre auf einem geteilten fünften Platz landete. Die Further Schachspieler waren von Anfang an bis 1930 im Schachverband der Oberpfalz in der Vorstandschaft integriert. Der Regensburger Hans Mayerhöfer führte den Verband, der 1933 in den Schachverband Ostmark aufging. Der Further Kaufmann und Jude Gustav Koralek wurde von 1922 an bis 1933 immer wieder zum Bezirksschatzmeister gewählt. Koralek setzte sich nach Böhmen ab. Schon ab 1930 waren viele oberpfälzische Schachclubs am Ende. Der letzte Schachkongress fand 1930 in Weiden statt.
„Es wäre interessant gewesen, wie das Schachspiel in Furth im Wald geendet hat“, schrieb Chronist Vogl 1954. „Es wurde versucht mit einigen der noch lebenden Schachspieler in Verbindung zu kommen und zu unseren Spielabenden einzuladen, was aber beides misslang.“ Zumindest Anfang der Dreißiger-Jahre muss der Großmeister Efim Bogoljubow zu einem Simultanturnier in Furth im Wald gewesen sein. Mit solchen Turnieren gegen gut dreißig zahlende Gegner finanzierten Schachmeister den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie.
Der Bäckermeister Schießl, den Riedl vor über vierzig Jahren für die Festschrift 1980 befragte, hielt Anton Ohlschmidt für den stärksten Further Spieler der Vorkriegsjahre, der schon mit sechzehn Jahren erwachsene Gegner schlug und „oft absichtlich mit einem Bauern weniger spielte“. Er spielte also Gambit, wofür man Theoriekenntnisse braucht, die er wohl von einem tschechischen Eisenbahner vermittelt bekommen hat. Als Kommunist wurde Ohlschmidt schon Anfang 1933 ins KZ Dachau deportiert und starb 1946 an den Folgen der Inhaftierung. Von der Nazizeit 1933 angefangen bis zur Wiedergründung 1954 dauerte es in Furth im Wald zwei Jahrzehnte, bis im Verein wieder Schach gespielt wurde.
Die Verwerfungen der letzten zwei durch Corona geprägten Jahre haben die Schachvereine nicht nur in Bayern getroffen. Geschlossene Gaststätten haben dazu geführt, dass bis in die höchsten Spielklassen die Meldungen von Mannschaften und Einzelspielern zurückgingen. Auch der SC Furth / Waldmünchen hat diese Saison erstmalig nur eine Mannschaft in der Oberpfalzliga gemeldet. Auch der Nachbarverein SC Bad Kötzting hat seine Mannschaftszahl auf zwei verringert. Der FC Mintraching, der vorletzte Saison gemeinsam mit Furth in die Oberpfalzliga aufgestiegen ist, tritt gar nicht mehr an.
Der Schachverband der Oberpfalz lässt in dieser Saison Verbandsturniere von den damaligen Gründungsvereinen ausrichten. Eine löbliche Idee! In Waldmünchen fand heuer bereits die Hauptrunde des Dähnepokals statt. In Furth im Wald wird Ende Januar die Schnellschacheinzelmeisterschaft ausgetragen und praktisch vor der Haustür finden vom 1. bis 4. April 2023 in Cham die Oberpfalzeinzelmeisterschaften, der Höhepunkt eines jeden Schachjahres, statt.